Das weiße Gold Chinas

Bereits früh schuf sich China im Westen einen Mythos, denn das Geheimnis um das durchscheinende, zarte Porzellan mit dem glockenhellen Klang, das nur den Hauch einer Musterrung verriet, blieb bis ins 18. Jahrhundert gut gehütet. Auch heute noch steht chinesisches Porzellan für eine außerordentliche Qualität, filigrane Handarbeit  und besondere Härte. Über die antike Seidenstraße gelangen die ersten Stücke nach Europa und stießen hier auf große Begeisterung. Eine wahre Chinoiserie hatte begonnen und alles was aus dem Reich der Mitte kam, erzielt in Europa höchste Preise, allen voran Seide und Porzellan, deren Gewicht man zuweilen sogar in Gold aufwog.

Chinoiserie
Zu Zeiten Cäsars waren Waren aus China heiß begehrt ; so sehr, dass sich Cäsar zu einem Edikt genötigt sah, der den Kauf und das Tragen chinesischer Seide regelte, da diese auf dem Markt nur zu utopischen Preisen zu erstehen war. Aufgrund der hohen Nachfrage und stetig steigenden Preisen, wurde bereits früh versucht, die Produkte aus China zu kopieren oder eigene Kreationen herzustellen. Im Schloss Nymphenburg ist eine dieser Kreationen noch heute zu bewundern - der chinesische Pavillon, der außen wie innen im Stil der Chinoiserie dekoriert wurde. An die chinesische Kunst der Porzellanherstellung kamen die zahlreichen Kopien aus Europa qualitativ nie heran, sodass die kaiserlichen Manufakturen in Jingdezhen (景德鎮市) zunehmend für den Export produzierten und hier sogar Stücke kreierten, die den von der Chinoiserie geprägten Vorstellungen in Europa entsprachen und vom ursprünglich chinesischen Stil abwichen.
Kaolin ist das Geheimnis chinesischer Keramikwaren, ein außergewöhnlich reiner Ton, der mit Feldspat vermischt wird. Überzogen mit einer speziellen Glasur und bei über 1300 Grad gebrannt, verglast der Ton und erhält seinen durchscheinenden Charakter. Bereits einige Jahrhunderte vor Beginn unserer Zeitrechnung war die Herstellung von Keramik in China bekannt. Der zeitliche Ursprung von Porzellan hingegen kann nur geschätzt werden und wird zumeist der späten Han-Dynastie (漢朝 / 汉朝, 25 v.Chr.-220 n.Chr.) zugeschrieben. Ab dem 5. Jahrhundert n.Chr. kristallisierten sich erste Zentren für die Herstellung von Keramik heraus, so auch Changnanzhen (昌南鎮) in der Provinz Jiangxi im Südosten des heutigen China. Später sollte diese Stadt unter dem Namen Jingdezhen als Porzellan-Hauptstadt in die Geschichte eingehen.

Die kaiserliche Manufaktur
Kaiser Song Zhenzong (宋真宗 , 997–1022 n.Chr.) der Song-Dynastie (宋朝, 960 - 1279 n.Chr.)hegte eine Leidenschaft für das filigran gearbeitete Steingut und ernannte 1004 n.Chr. die Stadt Changnanzhen zum Zentrum der Porzellanherstellung. Dies geschah während seiner Regierungsperiode "Jingde", weshalb die Stadt fortan diesen Namen trug; Jingdezhen. Hier wurde die Kunst der Porzellanherstellung weiterentwickelt, verbessert und neue Dekore, Farben und Formen fanden ihren Weg auf den internationalen Markt.  Viele der gefertigten Dekore gelten heutzutage als Klassiker. Als kaiserliche Porzellanmanufaktur wurden hier vornehmlich Keramiken für den Hofstaat gefertigt. Allerdings gewann der Export von Porzellan immer mehr an Bedeutung, sodass in Jingdezhen auch zunehmend für das Ausland produziert wurde. Jingdezhen wurde nicht ohne Grund zur kaiserlichen Porzellanmanufaktur ernannt. Hier waren bereits viele Meister der Porzellanherstellung ansässig. Zudem bot das Gebiet nicht nur ein reiches Vorkommen an Kaolin, dem Rohstoff für die feinsten Porzellane, sondern auch an Kobaltoxid-Erde, aus der der blaue Farbstoff für das berühmte blau-weiße Porzellan gewonnen wurde. Mit dem Untergang der Ming-Dynastie (明朝, 1368 - 1644 n.Chr.) im 17. Jahrhundert sah auch die Manufaktur in Jingdezhen ihrem Ende entgegen und wurde schließlich von einer minderwertigeren Massenproduktion abgelöst. Erst seit einigen Jahren ist das Manufakturwesen in Jingdezhen zu neuem Leben erwacht. 
Die kostbaren Stücke aus Jingdezhen und anderen Produktionsstätten wurden auf dem Seeweg, einer wahren "Porzellanroute", bis nach Basra transportiert,  und fanden von dort Ihren Weg bis nach Europa. Die arabische Welt war jedoch der größte Abnehmer des weißen Goldes aus China.

Porzellan in allen Formen und Farben
Über die Jahrhunderte entwickelten sich verschiedene Stile, die sich alle, je nach Epoche, großer Beliebtheit erfreuten. Eines der ersten Porzellane dieser Art war das sogenannte Seladon-Porzellan, das bereits ab dem 4. Jahrhundert produziert wurde. Charakteristisch für diese Art war eine Jade-ähnliche grüne Färbung sowie geometrische Reliefs und einfache Dekore, die unter der Herrschaft der Ming immer verspielter und detaillierter wurde. Reliefs wurden aufgesetzt oder eingearbeitet. Die gräulich-grüne Farbe entsteht durch die Reduktion von Eisenoxid im Feldspat beim Brennvorgang. Die Bezeichnung Seladon wurde im 17. Jahrhundert durch den Roman L'Astrèe von Honoré d’Urfé geprägt, der 1610 erschienen war. Die Figur des Schäfers Seladon trägt in diesem Roman ein mattgrünes Gewand, das sich schließlich auch in der Mode oft wiederfand und durch seine Farbe auch den Namen der Jade-ähnlichen Glasur prägte. Ein Zentrum für die Herstellung von Seladon-Porzellan war die Region Longquan in der Provinz Zhejiang. Dort hat man einige der alten Brennöfen 1959 ausgegraben, die heute auf der Liste der des immateriellen Kulturerbes der Volksrepublik China stehen.

Bleiglasurware der Tang-Zeit (唐朝, 618 bis 907 n.Chr.)
Die als dreifarbig  (三彩) bekannten Bleiglasurwaren der Tang-Dynastie zeichnen sich durch ihre kunstvolle und farbenfrohe Bemalung aus. Menschen, Tiere, Blumen oder ganze Szenerien werden auf Vasen und anderen Keramiken dargestellt, wobei nicht zwangsläufig nur drei Farben verwendet wurden, der Untergrund ist weiß. Die dreifarbige Bleiglasurware, auch "Sancai" genannt, wies ihre Blütezeit während der Tang-Dynastie auf.

Schwarzes Porzellan
In Jianyang in der Provinz Fujian wurde ein Porzellan hergestellt, das sich deutlich von den Fabrikaten anderer Epochen und Herstellungsorte unterschied. Durch die Zugabe von Kohleasche zur Glasur war das Jiang-Porzellan schwarz, unterschied sich in seinen grundsätzlichen Bestandteilen aber nicht von anderen Porzellanen.  Beim Brennvorgang entstand zudem ein charakteristisches "Hasenfell"-Muster, da sich die Glasur abspaltete und auf den Boden lief oder an den Seiten herunter tropfte. Jedes Stück war also ein Unikat. Jiang-Porzellan unterschied sich aber nicht nur in der Farbe und Struktur von anderen chinesischen Waren. Es war auch dicker und konnte Wärme gut halten, weshalb es vor allem für Teegeschirr genutzt wurde und sich in Japan großer Beliebtheit erfreute.

Qingbai-Porzellan
Bis zum 14.Jahrhundert war Qingbai-Porzellan ein echter Verkaufsschlager und wurde in Jingdezhen und vielen anderen Produktionsstätten hergestellt. Besonders in Europa war dieses Design beliebt und zeichnete sich durch seine weiß-grün schimmernde Glasur aus, die auch als Porzellan-Glasur bezeichnet wird, da sie auf der Basis von Petuntse angemischt wird . Ursprünglich als Alltagsgegenstand gefertigt, gelten Porzellane im Qingbai Design heute als echte Sammlerstücke. Im 14. Jahrhundert wurde die Produktion von Qingbai-Porzellan zugunsten des mittlerweile als klassisch chinesisch geltenden blau-weiß Dekors stark eingeschränkt.

Hochkultur in blau-weiß
Traditionelle, blau bemalte Porzellane mit weißem Untergrund und klarer Glasur fanden in der Ming-Dynastie ihre Blütezeit, auch wenn die ersten Stücke bereits zu Zeiten der Tang entstanden waren. Den Begriff der "Ming-Vase" prägte diese Art Porzellan besonders nachhaltig. Die Stücke aus Jingdezhen wiesen eine außerordentlich tiefe Blaufärbung auf, die auf die besonders hochwertige Qualität der Rohstoffe und des Porzellans selbst hinwies. Minderwertige Waren wiesen oft eine hellere Blaufärbung auf.

Unter der Herrschaft der Qing wurden besondere Porzellane geschaffen, die sich in ihrer Herstellung von den vorangegangen Stücken nicht unterschieden, wohl aber in der Art ihrer Verzierung. Hier wurden Dekore und Verzierungen über der Glasur aufgebracht. Auch das Farbspektrum wurde deutlich erweitert, sodass feine, aber bunte Porzellane mit filigranen Mustern entstanden. Florale Muster, Tiere und Fabelwesen herrschten in der Gestaltung vor. Farblich kann das Porzellan der Qing in folgende Kategorien unterteilt werden:

  • Die famille verte, bei der die namensgebende grüne Farbe hauptsächlich durch etwas Eisenrot ergänzt wurde.
  • Die famille rose, die hauptsächlich Rosa- und Purpurtöne verwendet und das ganze 18. Jahrhundert über dominierend bleiben sollte.
  • Die famille jaune, eine Abwandlung der famille verte mit gelbem Untergrund
  • Die famille noire, die mit schwarzem Untergrund arbeitet

Neben klassischen Formen, wie Vasen oder Geschirr, wurden hier verstärkt Figuren und Statuen zu Dekoration gefertigt.

Porzellan und andere Kunstformen in China
Porzellan als Teil chinesischer Kultur-, Kunst- und Industriegeschichte wird auch in der  zeitgenössischen Kunst rezipiert. Unter dem Titel " The lost glory" verarbeitete der zeitgenössische Maler Wang Jixin den Niedergang der einstigen kaiserlichen Manufaktur in Jingdezhen. Nach der Öffnung Chinas 1979 wurden weder von Politik noch von den Manufakturen selbst Anpassungen an die neuen Marktstrukturen vorgenommen, sodass der wirtschaftliche Abstieg mit desaströsen Folgen für Arbeiter, Handwerker und ganze Landstriche. Zudem drohte der Verlust eines Kulturguts. Diesen Eindruck hat Wang in Ölgemälden sowie einer Fotoreportage festgehalten und veröffentlicht. Fang Lijung hingegen nutzt Porzellan als Substanz seiner Kunstwerke, die die brüchige und instabile Gestalt der Gesellschaft verkörpern. In filigranen, rechteckigen Gebilden aus kleinen Mao-Bibeln aus Porzellan ist jede Bibel eine Festung an sich, doch je größer die Struktur, desto instabiler; eine bröckelnde Festung aus alter Tradition. Auch die Künstlerin Geng Xue nutzt Porzellan immer wieder als Medium, entweder in Form von traditionell anmutenden Skulpturen mit modernem Inhalt oder geschickt inszenierten Animationen mit Porzellan-Figuren mit dem Titel Mr. Sea, die eine Geschichtensammlung mit dem Titel Seltsame Geschichten aus dem Liao-Studierzimmer (聊斋志异)aus der Qing-Dynastie, die sich mit Geistern und Menschen und dem Übernatürlichen und Seltsamen im Alltag beschäftigen. Der Kurzfilm Mr. Sea war zugleich das Intro ihrer eigenen Ausstellung im Pekinger Künstlerviertel 798 im Jahr 2014, deren gezeigte Werke mit wechselnden Medien immer wieder den Bezug zu Porzellan herstellen.  

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